Bestiarium - Vernünftige Tiere

Die Natur und ihre 'Bewohner' inspirieren alle Werke dieses einstündigen Programmes. Akustische Phänomene emanzipieren sich von ihrer ursprünglichen Konnotation und bilden dabei neue musikalische Organismen.

Der Frankfurter Komponist Volker Staub hat sich intensiv mit dem Werk von John Cage, Morton Feldman und Josef Beuys auseinandergesetzt. Seine kompositorische Arbeit ist untrennbar von seiner Tätigkeit als Erfinder und Bauer experimenteller Musikinstrumenten aus Holz, Fell, Metall, Stein und Glas sowie von Saiteninstrumenten und elektroakustischen Instrumenten. Aus dieser Recherche ist das virtuose Stück Nr. 19 Teil VII entstanden, hier in einer neuen Kombinationsfassung für MAM mit Altposaune und Witterungsinstrumenten.

„Wer lockt hier eigentlich wen? Ist’s der Jäger, wie er den Birkhahn vor die Flinte lockt? Oder ist der Weidmann, wenn er so den Vogel mit seinem Pfeifchen hinterm Busch hervorholt, just dem großen Rufe der Natur gefolgt? – bei deren Klang verblassen alle Künste selbst ernannter Rattenfänger.“ Robin Hoffmann malt mit diesem Jägerutensil ein überwältigendes Werk sinfonischer Komplexität: ein „Birkhahn-Biotop im Konzertsaal“.

Peter Ablinger setzt sich in seiner Musik häufig mit den akustischen Phänomenen und immanenten Rhythmen der Natur auseinander, die er hier für Stimmen transkribiert hat: Autobahn, das Ticken einer Quartz-Uhr, der Wind in einem Doppelfenster, Wassertropfen, ein startendes Auto.

Mathias Monrad Moeller widmet sich in seinem Beitrag, der als Auftragswerk von MAM entstanden ist, den Haustieren der amerikanischen Präsidenten und wirft so einen ganz anderen Blick auf die Beziehung zwischen Mensch und Tier. Maximilian Marcolls kurze elektronische Studie hingegen beschäftigt sich eher mit der Verarbeitung bereits toter Lebewesen.

Mehr als achtzig Sorten Lock- und Jagdpfeifen hat das 'Enfant terrible' der Deutschen Avantgarde Mauricio Kagel privat gesammelt. Vor kurzem hat MAM sein Werk Exotica (für sechs singende Instrumentalisten mit außereuropäischen Instrumenten) für das Label EnsembleModern Media eingespielt. Auch in Bestiarium für drei Solisten mit ungefähr dreißig Pfeifen ironisiert Kagel fremde 'Musiksprachen': Tierstimmen und Geräuschlaute dialogisieren und wecken dabei allerlei Assoziationen. Ein spannendes musikalisches Ereignis, das nur zu selten aufgeführt wird.

Volker Staub (*1961)
Nr. 19 Teil VII
für Schlagzeug solo (2 Baumstämme, Stimme)

Robin Hoffmann (*1970)
Locken
für Birkhahn-Septett

Peter Ablinger (*1959)
Studien nach der Natur.
10 kleine Stücke für 6 Stimmen

Mathias Monrad Moeller (*1988)
Presidential Pets
für Ensemble [UA]

Maximilian Marcoll (*1981)
Notturno. Kanon mit Schalentieren
für Elektronik

Mauricio Kagel (1931-2008)
Bestiarium
Musik für Lockpfeifen in drei Sätzen